Das Thema ist mittlerweile weitreichend bekannt und normalerweise nicht der Stoff, den man auf meinem Blog findet. Da es jedoch für mich persönlich hochinteressant ist und ich bei meinen Recherchen auf einen, für meinen Geschmack hervorragenden Beitrag gestoßen bin, möchte ich Euch dessen Inhalt in unserer Sprache liefern. Für die inhaltliche Wiedergabe danke ich David Emmett für seine Genehmigung!
Auf seinem Blog MotoMatters.com bringt er Licht ins Dunkel des Dilemmas um die vermeintlich illegalen Aero-Elemente an der Desmosedici im Grand Prix von Qatar, dem ersten Lauf zur MotoGP Weltmeisterschaft 2019.
Um hier den Überblick zu gewinnen, muss klar sein, was das Regelwerk sagt. Dieses wurde im Februar veröffentlicht und am 2. März 2019 um eine Ergänzung vom technischen Direktor der FIM, Danny Aldridge erweitert. Leider ist diese Ergänzung nicht online verfügbar. Paolo Ciabatti teilte uns jedoch mit, dass es einen Abschnitt enthielt, der explizit Anbauteile an der Schwinge zulässt, solange ein solcher Anbau keinen Abtrieb erzeugt, sondern entweder zum Kühlen oder zum Ablenken von Wasser oder Schmutz vom Hinterrad dient.
Die anderen Hersteller behaupten, Ducati bricht hier die Regeln. Sie glauben nicht, dass der Heckspoiler – gegen den sie protestieren – zur Kühlung verwendet wird. Laut Aprilia-Chef Massimo Rivola, der mit der italienischen Website GPone.com sprach, zeigten die von ihnen durchgeführten CFD-Simulationen (Computational Fluid Dynamics, zu deutsch: numerische Strömungsmechanik), dass der Heckspoiler Abtriebskraft am Hinterrad erzeugt, was gemäß den herausgegebenen Richtlinien von Danny Aldridge ausdrücklich verboten ist. Diese Ergebnisse liegen Danny Aldridge vor.
Aber auch dann glaubt Rivola nicht, dass es an Aprilia oder den anderen Herstellern liegen sollte, die Legitimität des Ducati-Spoiler nachzuweisen. Nur Ducati selbst kann mit Daten beweisen, dass ihre Teile nicht gegen die Regeln verstoßen. „Auf der Innenseite des Spoilers befinden sich drei Flügel, die klassische Tri-Plane-Konfiguration. Warum brauchten sie drei Flügel?“ fragte Rivola rhetorisch.
Die auf der FIM-Website veröffentlichten MotoGP-Bestimmungen (Aerodynamik) beziehen sich nicht auf Teile, die an der Schwinge oder an der Unterseite des Vorderrades angebracht sind, wo sich die Carbonabdeckungen der Ducati befinden. Im Wortlaut heißt es hier wie folgt (inklusive einer Zeichnung):
Der MotoGP Aero Body ist definiert als der Teil der Motorradverkleidung, auf den der Luftstrom während der Vorwärtsbewegung des Motorrads direkt einwirkt. Er befindet sich nicht im Windschatten des Fahrers oder anderer Verkleidungsteile (z.B.: Heck). Daher besteht der Aero-Body aus den zwei separaten Komponenten Verkleidung und Vorderrad-Kotflügel gemäß den Abbildungen im Anhang, Allgemein: Abb. 5, Abb. 6.
Die Lage ist also soweit klar: Hätte das Luftleitelement an den Bremsscheiben und das Element an der Schwinge einen Einfluss auf die Aerodynamik, wäre es illegal. Alles andere ist legal. Ducati hat natürlich das Reglement sehr genau studiert und eben dieses kleine Schlupfloch gefunden. Als Ideengeber diente unter Umständen das Element von Yamaha, welches im Regen von Valencia 2018 zum ersten Mal an der Schwinge der M1 zum Einsatz kam. Hier handelte es sich um ein keilförmiges Element, was sich sinngemäß durch seine Form als Schutz des Hinterrads vor zu viel Wasser belegen lässt. Das ist laut Reglement demnach legitim.
Technique : "rain wing" de la Yamaha YZR-M1. #MotoGP #ValenciaGP pic.twitter.com/z3AHGjBeT5
— Thomas Morsellino (@Off_Bikes) November 17, 2018
Bei der Ducati in Qatar sieht es allerdings etwas anders aus. Die beiden Carbonplatten an den Gabelfüßen haben mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Einfluss auf die Luftströmung. Das Element an der Schwinge besteht im inneren aus drei Flügeln, die sicherlich einen Sinn verfolgen und die Luftströmung auch hier höchstwahrscheinlich beeinflussen. Beide Teile stehen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in Verbindung und wurden stets gemeinsam an der Desmosedici montiert. In wie weit diese beiden Teile zusammen wirken, versucht David Emmett zu analysieren:
Die Leitelemente an der Gabel sorgen dafür, dass die Luft entlang dem Bug laminar strömt und reduzieren die Verwirbelungen durch die Raddrehung am Vorderrad. Eine recht schlüssige Aussage von Ingenieur Andrew Gregory ergänzt: „Das Luftleitelement an der Schwinge kann eine Art Venturi-Effekt auf die Luft haben, die unter dem Bug strömt und dort auf die durch die Drehung des Hinterrades verwirbelte Luft prallt. Der Flügel eliminiert vermutlich diese Verwirbelungen, was eine Verringerung des Luftwiderstands zur Folge hat.“
Les appendices sur la Ducati GP19 de @Petrux9. #MotoGP #QatarGP pic.twitter.com/GC0qccme7S
— Thomas Morsellino (@Off_Bikes) March 8, 2019
Am Freitag des Grand-Prix Wochenendes tätigte Danilo Petrucci gegenüber MotoMatters.com die folgende brisante Aussage:
„Im Fernsehen sah es so aus, dass es zur Kühlung des Hinterreifen dient. Aber das ist nicht der wahre Grund. Ich kann es jedoch nicht sagen, was genau der Sinn dahinter ist. Sonst wird Gigi wütend.“
Diese Worte sind natürlich Wasser auf die Mühlen der Kritiker. Die vier Hersteller, die gegen das Rennergebnis Protest eingelegt haben und nach der Entscheidung der FIM-Stewards in Berufung gingen, haben diese Schritte gegenüber Ducati bereits vor dem Rennen bekundet. Die Elemente wurden schon beim Qatar-Test montiert und scheinen erfolgreiche Ergebnisse geliefert zu haben. Sonst hätte es Ducati ganz sicher nicht im Rennen verwendet.
Die große Frage ist und bleibt: legal oder illegal? Im Regelbuch der FIM gibt es genau für diesen Fall keine Aussage oder Festlegung. Der Grund für den Protest von Honda, KTM, Aprilia und Suzuki ist die unklare Sachlage, was erlaubt ist und was nicht. KTM-Motorsport-Direktor Pit Beirer bringt es in einem weiteren lesenswerten Interview auf speedweek.com auf den Punkt:
„Es geht uns nicht darum, dass Ducati der Sieg von Dovi aberkannt wird. Hoffentlich verliert Dovi diesen Sieg nicht, denn er hat verdient gewonnen – und Ducati mit ihrer technischen Leistung genau so. Aber wir wollen Klarheit für die Zukunft. Sonst kommt als Nächstes der Heckflügel auf dem Höcker… Es geht uns darum, dass solche aerodynamischen Auswüchse in Zukunft eingedämmt werden.“
Das letzte Wort hat jetzt das Berufungsgericht des Motorrad-Weltverbands FIM in Paris. Bis heute wartet man leider vergeblich auf eine Klarstellung, obwohl der nächste Grand Prix schon kurz bevor steht. Damit sich alles wieder um den fantastischen Sport und nicht um, zugegeben eher hässliche Luftleitelemente an den Rennmaschinen dreht, sollte dieses Thema schleunigst vom Tisch sein!
Quelle: MotoMatters.com
MotoGP-Fotos: Ducati
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