Probefahrt MV Agusta Brutale 1000 RR 2021

Jetzt war es endlich soweit, nachdem ich im vergangenen Jahr die Bella nur begutachten konnte. Mittlerweile habe ich die Brutale 1000 RR auch gefahren und bin recht gespalten, was meine Eindrücke angeht. Das Motorrad ist natürlich ein Hingucker schlechthin. Zudem will ich gleich vorab erwähnen, dass ich zum ersten Mal in meiner fast zwanzigjährigen Laufbahn als Motorradfahrer einen Vierzylinder gefahren bin. Von daher sind die sowieso subjektiven Eindrücke unter Umständen sehr speziell und der mangelnden Erfahrung des Verfassers mit einem solchen „Vielzylinder“ geschuldet.

Platz nehmen

Auf dem Motorrad Platz genommen finde ich mich sehr schnell und gut zurecht. Die Position ist leicht nach vorn geneigt und natürlich erwartungsgemäß eher sportlich als gemütlich. Mit der Sitzhöhe sollten sehr viele Menschen klar kommen. Ich finde mit meinen 188 cm Größe gut Platz. Das durchgestylte Sitzbrötchen für den Fahrer ist erstaunlich gemütlich und fühlt sich straff aber nicht hart an, was meiner Meinung nach super zur Brutale passt. Wie mittlerweile alle neuen MV’s verfügt die Maschine über das neue TFT-Display, was nicht zu überladen mit Informationen und gut ablesbar ist. Leichte Kritik gibt es maximal für die etwas dezent leuchtenden Hinweislämpchen rechts und links vom Display. Das könnte in Abhängigkeit der Außenhelligkeit besser geregelt und etwas leuchtstärker und damit besser wahrnehmbar daherkommen.

Abfahrt

Motor starten und los. Gewohnt kernig agiert das MV Triebwerk. Wer das kennt ist wenig überrascht. Und so lege ich den ersten Gang ein und rolle vom Hof in Naunhof bei Motorrad Scheunpflug, die mir freundlicherweise diese Probefahrt ermöglichen. Ein Schaltautomat ist natürlich an Bord. Die Gänge flutschen somit ganz easy rein. Nur beim Runterschalten muss ich den Hebel bzw. dessen Funktion kritisieren. Das ist zu schwergängig. Der Schaltvorgang klappt wunderbar. Selbst bei niedrigen Drehzahlen. Aber es ist im Vergleich zum Hochschalten ein deutlich höherer Kraftaufwand notwendig. Das geht eindeutig besser. Woran es genau lag, konnte ich nicht herausfinden.

Die ersten Kilometer fahren sich sehr lässig. Im unteren und mittleren Drehzahlbereich ist die Brutale 1000 RR unerwartet zahm zu fahren. Ich bin im Sport-Modus unterwegs und mit mittlerer Traktionskontrollen-Einstellung. Viel habe ich hier überhaupt nicht herumgespielt. Ich wollte das Motorrad so testen und meine Erfahrungen wie auf einer ganz normalen Probefahrt sammeln. Handlich ist die MV natürlich. So wie man es auch erwartet, zugegeben. Das semi-aktive Öhlins-Fahrwerk – vorn eine 43mm NIX EC Gabel und hinten ein TTX EC Federbein – ist perfekt und mit dem Fahren auf der Straße eigentlich eher unter- als überfordert. Oder vielleicht eher gelangweilt? Das trifft es wohl am besten. Beschleunigt man bis in den fünfstelligen Drehzahlbereich, geht richtig die Post ab. Aber ganz ehrlich: Wie oft erreicht man diese Drehzahlen auf der Landstraße, wenn man einigermaßen an seinem Führerschein hängt? Der Motor hat eine erwartungsgemäß sportliche Charakteristik, die auf der Rennstrecke mit Sicherheit am besten zur Entfaltung kommt. Auf der Landstraße ist mir das alles „unten rum“ zu brav und zu wenig für die Optik und den Namen. Brutal ist es auf alle Fälle überhaupt nicht. Kritisieren will ich auch das Anfahren mit der Brutale. Irgendwie hat man das Gefühl, dass auf den ersten 10 Metern der Motor wie abgeschnürt agiert. Keine Leistung. Sehr seltsam. Rollt man an und ist bei 10 km/h erwacht der Vortrieb auf einmal. Und das bei konstanter Gasstellung. Sowas ist mir zuvor auch noch nie aufgefallen.

Zum Abschluss meiner Runde fahre ich auch noch ein Stück Autobahn. Das gehört irgendwie zu einem Test dazu. Allerdings wurde ich vom Händler dazu angehalten, den Motor nicht bis an seine Grenzen zu drehen, da das gute Stück noch sehr jungfreudig ist und demnächst einen neuen Besitzer glücklich machen soll. Das ist natürlich verständlich und so ist im sechsten Gang bei rund 250 km/h Schluss. Die langen Kurven der Auf- und Abfahrten sind genau das Revier, was der Brutale 1000 RR taugt. Stabil und souverän lässt sich das Motorrad hier in Schräglage beschleunigen. Hatte ich schon erwähnt, dass das Motorrad laut ist? Und nein, ich meine nicht den durchgestylten Auspuff. Es schreit den Fahrer regelrecht von unten an. Ein Höllenlärm steigt unter dem Tank aus der Airbox empor. Unglaublich. Ohne Gehörschutz sollte dieses Motorrad nicht bewegt werden, wenn dir etwas an deinen zwei Ohren und deren ordnungsgemäßer Funktion liegt. Der Motor verfügt ansonsten über einiges an Edelmetall, was für ein agiles und drehfreudiges Triebwerk sorgt. Ventile und Kurbelwelle sowie einige Schrauben am Motorrad bestehen aus purem Titan. In dieser Preisliga jenseits von 30.000,- EUR allerdings auch keine Mega-Überraschung. Mit einer etwas kürzeren Übersetzung hätte man ganz bestimmt noch mehr Freude beim Fahren.

Fazit

Nach rund 50 Kilometern mit dem edlen Stück muss ich zugeben, dass mich die Brutale 1000 RR nicht wirklich vom Hocker reißt. Das Motorrad ist definitiv ein Kunstwerk und hat so viele optische Leckerbissen zu bieten, wie kaum ein anderes Serienmotorrad. Das beherrscht MV wie kein zweiter Hersteller. Design gepaart mit leidenschaftlicher Detailverliebtheit. Aber vom reinen Fahren ist sie mir zu brav. Zu wenig Brutale. Sicher geht der Motor „oben raus“ wie die Hölle. Aber wann bewegt man sich mit einem Naked-Bike auf der öffentlichen Straße in diesen Drehzahlgefilden? Das kann sicher auch an mir liegen, der überwiegend den Umgang mit V2-Drehmomentmonstern gewohnt ist. Aber wenn 208 PS auf dem Schild stehen, dann muss doch auch im mittleren Drehzahlbereich ein kleines Gewitter vorhanden sein, was für meinen Geschmack nicht der Fall war. Vielleicht lag es auch an der Einstellung? Keine Ahnung. Unterm Strich optisch absolut geil. Beim Fahren überraschend leichtfüßig und entspannt. Fast zu entspannt für so einen Donnerbolzen.

 

 

 

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