Seit 2014 bin ich stolzer Moto Morini Fahrer und in den vergangenen fünf Saisons gab es bis auf den gegrillten LiMa-Steckverbinder keinerlei Probleme mit diesem schönen Motorrad. Tanken, Ölwechsel und ansonsten fahren, fahren, fahren. So muss das sein!
Im Winter 2014/2015 ist mir auf eBay eine Sitzkombination in der Gelausführung über den Weg gelaufen, wo ich direkt zugeschlagen habe. Man muss dazu sagen, dass es bei Moto Morini Teilen noch diffiziler zugeht, als bei MV Agusta oder Ducati. Letzterer ist im Verhältnis zu den anderen zwei Herstellern mittlerweile schon „Mainstream“. Demzufolge muss man bei guten Angeboten zuschlagen und ich habe seitdem nie wieder eine Gel-Sitz Kombination für die Corsaro 1200 gefunden. Neben dem optischen Gewinn mit dem schwarzen Leder und den roten Nähten ist es vor allem eine Steigerung des Sitzkomfort.
Nach 4 Saisons und knapp 20.000 km lässt die Sitzbank aber langsam nach. So ist zumindest mein Gefühl. Und nachdem ich zuletzt mit der Hypermotard 1100 gefahren bin, wollte ich auch an meiner Moto Morini etwas höher sitzen. Da mir das Prinzip klar ist und ich gern Probleme selber löse, ging es gestern an die Arbeit.
Damit man den originalen Sitzbezug wiederverwenden kann, muss man sich bei der Polstererhöhung auf 2 cm beschränken. Will man mehr erhöhen, muss man in der Regel auch einen neuen Bezug anfertigen oder anfertigen lassen. Benötigt wurden für die Aufpolsterung folgende Teile und Werkzeuge:
- Verbundschaumstoff 2 cm stark
- Kaschierschaumstoff 0,5 cm
- Sprühkleber
- drehzahlgeregelter Winkelschleifer mit Fächerscheibe K60
- Schleifpapier K60
- Tacker mit 6 mm Klammern
- Staubschutzmaske, Gehörschutz, Schutzbrille
Für den Schaumstoff wird man online recht schnell fündig. Kleber und Fächerscheibe habe ich mir im Baumarkt meiner Wahl gekauft. Der Rest ist vorrätig. Los geht’s…:
Sitzbezug entfernen
Zuerst muss der Bezug herunter. Die Klammern auf der Rückseite entfernt man am besten mit einem Schlitzschraubendreher und einer Kombizange. Dabei bin ich natürlich vorsichtig, denn ich möchte den Bezug nicht beschädigen. Ist der Bezug entfernt, folgt ein erster Blick auf das Innenleben. Interessant hierbei ist, dass der Sitzhersteller für Morini sogar eine wasserdichte Folie über das Schaumstoffpolster verlegt hat, was nicht gängig ist. Super Sache. Das hatte ich so oder so vor und kann damit auch diese Folie wiederverwenden. Darunter sieht man dann eine Schicht Kaschierschaumstoff und darunter befindet sich das Sitzpolster mit der großen Gel-Einlage gut zu sehen.
Verbundschaumstoff anpassen und aufkleben
Mein nächster Schritt ist die Anpassung und der Zuschnitt der Verbundschaumstoffplatte. Mit einem dicken Permanent-Marker lässt sich gut die Form vorzeichnen und anschließend mit einem scharfen Cutter-Messer ausschneiden. Die erste Feinheit bildet hier der Abschluss des Polsters am hinteren Ende vom Sitz. Dort war bisher eine leichte Mulde, die ich mit dem 2 cm starken Polster voll ausgleiche. Damit das Polster gut anliegt und sich im nächsten Schritt gut verkleben lässt, habe ich das neue Polster mit einer Phase versehen. Das geht sehr gut mit einer Fächerscheibe und einem drehzahlgeregelten Winkelschleifer. Drehzahlgeregelt deshalb, da der Schaumstoff nicht mit voller Drehzahl bearbeitet werden kann, es dir unter Umständen die Maschine in der Hand verreißt und du das Polster mehr beschädigst als formst. Deshalb nur mit geregelter Drehzahl. Bei meinem Bosch-Gerät hat sich die Stufe 4 von 9 bewährt.
Aufgeklebt habe ich den Verbundschaumstoff mit Kövulfix. Dieser Kleber auf Basis von synthetischem Kautschuk liegt bei mir im Schubfach, weil er sich hervorragend für die Verklebung vieler nicht saugender Materialien eignet und flexibel bleibt. Zum Beispiel Schuhsohlen, Leder und Sitzpolster aus Neopren oder Zellkautschuk habe ich damit schon erfolgreich verklebt. Schaumstoff kleben geht auch, aber hier wäre der Einsatz des Sprühklebers doch besser gewesen, da der honigartige Kövulfix-Kleber ein wenig in den Schaumstoff läuft und die Poren füllt. Beim zusammendrücken der beiden Seiten, die man vorher mit dem Kleber benetzt und knapp 10 Minuten ablüften lässt, klebt trotzdem alles einwandfrei. Die Platte habe ich circa 10 Minuten unter Druck kleben lassen.
Schaumstoff anpassen und in Form bringen
Nachdem der erste Meilenstein erreicht ist, kommt wieder der Winkelschleifer zum Einsatz. Stück für Stück arbeite ich die Form heraus und versuche einen möglichst bündigen Übergang zum Original zu erreichen. Die Sitzerhöhung soll keine Verbreiterung werden. Deshalb werden die seitlichen Flanken schön herausgearbeitet. Am Ende kann sich das wirklich sehen lassen. Dabei unbedingt eine Staubschutzmaske und Schutzbrille tragen und diese Arbeit idealerweise im Freien erledigen. Millionen von Schaumstoffkrümeln türmen sich auf und das muss man nicht in der Werkstatt oder Garage haben. Ich trage auch immer einen Gehörschutz. Schließlich hat man nur diese beiden Ohren!
Die Feinheiten habe ich zum Abschluss mit einem Handschleifpapier K60 herausgearbeitet. Damit lassen sich kleine Kanten glätten und die Übergänge finalisieren. Aber Vorsicht: Das Schleifpapier nur in eine Richtung abziehen, absetzen und wieder von oben nach unten abziehen. Sonst besteht die Gefahr, dass man das Polster beschädigt.
Zwischendurch hab ich das Sitzpolster immer wieder auf dem Motorrad angehalten und optisch begutachtet. Im Kopf war mir das Ziel klar und mit den 2 cm Erhöhung war ich perfekt auf Kurs. Die Form ist mir gut gelungen und bis dahin bin ich zufrieden. Ich muss dazu erwähnen, dass ich das zum ersten Mal selber mache. Ich bin kein Profi oder gelernter Sattler aber handwerklich begabt und wenn man sich vorab etwas informiert und über die entsprechenden Werkzeuge verfügt, ist das durchaus eine lösbare Aufgabe.
Kaschierschaumstoff und Sitzbezug montieren
Wir biegen langsam auf die Zielgerade ein und damit der Sitz eine gute Grundform bekommt und die Übergänge von der Aufpolsterung noch besser unsichtbar werden, kommt der Kaschierschaumstoff zum Einsatz. Das ist ein weißer Schaumstoff, 0,5 cm dünn und recht flexibel und streckbar. Perfekt für einen Sitzbezug. Hier klappt der Zuschnitt perfekt mit der Schere. Für die Verklebung mittels Sprühkleber markiere ich nach dem Maß nehmen und probieren die perfekte Position mit dem Filzstift. Den Sprühkleber im Anschluss einseitig auftragen und den Schaumstoff aufkleben. Das war einfach.
Als letztes muss jetzt noch die Folie drauf, die bei monsunartigen Regenfällen das Sitzpolster schützt und generell eine empfehlenswerte Sache als Abschluss vor dem montieren des Bezugs ist. Mein Plan war dafür die Verwendung einer Frischhaltefolie. Da der Sitz bereits eine Folie hatte, verwende ich diese einfach wieder. Auch hier kommt der Sprühkleber zum Einsatz. Entlang der Sitzkante eine dünne Schicht aufsprühen und die Folie aufkleben. Nach 5 Minuten hält alles fest und es kann jetzt schon der Sitzbezug drauf.
Für die Montage des Sitzbezugs braucht es einen kräftigen Tacker. Ich verwende einen Handtacker mit 6 mm Klammern. Den Bezug schön mittig positionieren und oben und unten heften. Danach habe ich mich zuerst an einer Seite und danach entlang der nächsten Seite Stück für Stück vorangearbeitet und den Bezug befestigt.
Das Ergebnis kann sich auf alle Fälle sehen lassen und ich bin auch nach der Sitzprobe sehr zufrieden. Für eine ausgiebige Probefahrt fehlt mir jetzt die Zeit. Das werde ich dann in zwei Wochen auf dem Weg in die Alpen nachholen und gegebenenfalls berichten.
Edit 05.08.2019:
Ich war zuletzt in 6 Tagen 2757 Kilometer mit der Morini gefahren und kann berichten, dass sich die Aufpolsterung positiv ausgewirkt hat. Der Sitzkomfort ist nicht mehr so soft, was sich allerdings auf längeren Strecken absolut besser auswirkt, als ein zu weicher Sitz. Zudem erinnert das Sitzgefühl etwas an einen Fahrradsattel.
Im Ergebnis kann ich sagen, dass ich perfekt sitze, die Erhöhung einen positiven Effekt auf meine Knie hat, da der Kniewinkel jetzt geringer ist und dadurch die leicht schmerzenden Knie nach über 500 km Tagesetappen verschwunden sind. Das ist tatsächlich so!
Summa summarum also eine lohnenswerte Aktion.
Zum Schluss noch der Hinweis: Hierbei handelt es sich um einen Beitrag aus meiner Feder und ohne irgendwelches Sponsoring. Die gezeigten Waren und Produkte dienen zur Veranschaulichung und als Hilfe für den Leser. Ich bekomme weder Zuwendungen von UHU noch irgendeinem anderen Hersteller, der in meinen Zeilen oder auf meinen Bildern erwähnt wurde.
Herzlichen Dank für den informativen Artikel! Sehr schön Blog.